Wasser im Alpenraum
Welche Qualität dürfen wir wirklich erwarten?
Die kleinen Leute von Swabeedoo
… ein Märchen – ernsthaft zum Nachdenken
Vor langer, langer Zeit lebten kleine Leute auf der Erde. Die meisten wohnten im kleinen Dorf Swabeedoo und nannten sich Swabeedoo-dahs. Sie waren sehr glücklich und liefen herum mit einem Lächeln bis hinter die Ohren und grüßten jedermann.
Was die Swabeedoo-dahs am meisten liebten, war einander warme weiche Pelzchen zu schenken. Ein jeder trug über seiner Schulter einen Beutel und der Beutel war gefüllt mit weichen Pelzchen. Sooft sich Swabeedoo-dahs trafen, gab gewöhnlich der eine dem anderen ein Pelzchen. Nun ist es besonders schön, jemandem ein warmes weiches Pelzchen zu geben: es sagt dem anderen, er sei etwas Besonderes, es ist eine Art zu sagen: Ich mag dich. Und selbstverständlich ist es sehr erfreulich, ein solches Pelzchen zu bekommen. Wenn man Dir ein Pelzchen anbietet, wenn Du es nimmst und fühlst, wie warm und flaumig es an Deiner Wange ist, und Du es sanft und leicht in Deinen Pelzchenbeutel legst, dann ist es wundervoll. Du fühlst Dich anerkannt und geschätzt, wenn Dir jemand ein weiches Pelzchen gibt, und Du möchtest ihm ebenfalls etwas Schönes tun. Die kleinen Leute von Swabeedoo gaben gerne weiche Pelzchen und bekamen gerne weiche Pelzchen. Und ihr gemeinsames Leben war ohne Zweifel sehr glücklich und froh.
Außerhalb des Dorfes, in einer kalten, dunklen Höhle, wohnte ein großer grüner Kobold. Er wollte eigentlich nicht alleine wohnen und manchmal war er einsam. Aber er schien mit niemandem auszukommen, und irgendwie mochte er es nicht warme weiche Pelzchen auszutauschen. Er hielt es für einen großen Unsinn.
Eines Abends ging der Kobold in das Dorf und traf einen kleinen freundlichen Swabeedoo-dah. „War heute nicht ein schöner Swabeedoo-dah Tag“ sagte die kleine Person lächelnd. „Hier, nimm ein warmes weiches Pelzchen, dieses ist ein Besonderes, ich habe es eigens für Dich aufbewahrt, weil ich Dich so selten sehe“. Der Kobold schaute um sich, ob niemand anderer ihm zuhörte. Dann legte er seinen Arm um den kleinen Swabeedoo-dah und flüsterte ihm ins Ohr: „Hör mal, weißt Du denn nicht, dass wenn Du alle Deine Pelzchen weggibst, sie Dir an einem Deiner schönen Swabeedoo-dah Tage ausgehen?“ Er bemerkte einen erstaunten Blick und Furcht im Gesicht des kleinen Mannes, und während der Kobold in den Pelzchenbeutel hineinschaute, fügte er hinzu: „Jetzt würde ich sagen, hast Du kaum mehr als 217 weiche Pelzchen übrig. Sei lieber vorsichtig mit dem Verschenken!“ Damit tappte der Kobold auf seinen großen grünen Füßen davon und ließ einen verwirrten und unglücklichen Swabeedoo-dah zurück.
Der Kobold wusste, dass ein jeder der kleinen Swabeedoo-dahs einen unerschöpflichen Vorrat an Pelzchen besaß. Gibt man nämlich jemandem ein Pelzchen, so wird es sofort durch ein anderes ersetzt, so dass einem sein ganzes Leben lang niemals die Pelzchen ausgehen können. Doch der Kobold verließ sich auf die gutgläubige Natur der kleinen Leute – und noch auf etwas anderes, das er bei sich selber entdeckt hatte. Er wollte herausfinden, ob es auch in den kleinen Swabeedoo-dahs steckt. Auf diese Weise belog der Kobold den kleinen Mann, kehrte zurück in seine Höhle und wartete.
Es dauerte nicht lange. Der erste, der vorbei kam und der den kleinen Swabeedoo-dah grüßte, war ein guter Freund von ihm, mit dem er schon viele Pelzchen ausgetauscht hatte. Dieser stellte mit Überraschung fest, dass er nun einen befremdenden Blick erhielt, als er seinem Freund ein Pelzchen gab. Dann wurde ihm empfohlen auf seine abnehmenden Pelzchenvorräte zu achten und sein Freund verschwand ganz schnell. Jener Swabeedoo-dah bemerkte am selben Abend noch drei anderen gegenüber: „Es tut mir leid, ich habe kein warmes weiches Pelzchen für Dich. Ich muß aufpassen, dass sie mir nicht ausgehen.“
Am nächsten Tag hatte sich die Neuigkeit im ganzen Dorf verbreitet. Jedermann hatte plötzlich begonnen seine Pelzchen aufzuheben. Man verschenkte zwar immer noch welche, aber sehr vorsichtig. „Unterscheide!“ sagten sie. Die kleinen Swabeedoo-dahs begannen einander misstrauisch zu beobachten und verbargen ihre Beutel mit den Pelzchen während der Nacht vorsichtigerweise unter dem Bett.
Streitigkeiten brachen aus, wer die meisten Pelzchen hatte, und schon bald begannen die Leute weiche Pelzchen für Sachen einzutauschen, anstatt sie einfach zu verschenken. Der Bürgermeister von Swabeedoo stellte fest, dass die Zahl der Pelzchen begrenzt sei, rief die Pelzchen als Tauschmittel aus und schon bald zankten sich die kleinen Leute darum, wieviel ein Mahl oder eine Übernachtung im Hause eines jeden kosten soll. Es gab sogar einige Fälle von Raub wegen Pelzchen. An manchen dämmrigen Abenden war man draußen nicht mehr sicher, an Abenden, an denen die Swabeedoo-dahs früher gerne in den Parks und auf den Straßen spazieren gingen und einander grüßten, um sich warme, weiche Pelzchen zu schenken.
Das Schlimmste von allem – an der Gesundheit der kleinen Leute begann sich etwas zu ändern. Viele klagten über Schmerzen in Schulter und Rücken und mit der Zeit befiel mehr und mehr kleine Swabeedoo-dahs eine Krankheit, bekannt als Rückgraterweichung. Sie liefen gebückt umher und (in den schlimmsten Fällen) bis zum Boden gebeugt. Ihre Pelzchenbeutel schleiften sie auf dem Boden. Viele Leute im Dorf fingen an zu glauben, dass das Gewicht des Beutels die Ursache für die Krankheit sei, und dass es besser wäre, sie Zuhause einzuschließen. Binnen kurzem konnte man kaum noch einen Swabeedoo-dah mit einem Pelzchenbeutel antreffen.
Zuerst war der Kobold mit dem Ergebnis seiner Lüge zufrieden. Er hatte herausfinden wollen, ob die kleinen Leute auch so handeln und fühlen würden wie er, wenn er selbstsüchtige Gedanken pflegte – und er fühlte sich erfolgreich, so wie die Dinge liefen. Wenn er nun in das Dorf kam, grüßte man ihn nicht länger mit einem Lächeln und bot ihm keine weichen Pelzchen an. Statt dessen starrten ihn die Leute misstrauisch an, so wie sie auch einander selbst anstarrten. Und ihm war es auch lieber so. Für ihn bedeutete dies, der Wirklichkeit ins Auge zu schauen. „So ist die Welt“, pflegte er zu sagen.
Mit der Zeit ereigneten sich aber schlimmere Dinge. Vielleicht wegen der Rückgraterweichung, vielleicht deshalb, weil ihnen niemals jemand ein weiches Pelzchen gab (wer weiß es?), starben einige der kleinen Leute. Nun war alles Glück aus dem Ort Swabeedoo verschwunden – und es betrauerte das Dahinscheiden seiner kleinen Bewohner.
Als der Kobold davon hörte, sagte er zu sich selbst: „Mein Gott, ich wollte ihnen nur zeigen, wie die Welt wirklich ist. Ich habe ihnen nicht den Tod gewünscht!“ Er überlegte, was man jetzt machen könnte, und er erdachte einen Plan.
Tief in seiner Höhle hatte der Kobold eine geheime Mine mit kaltem, stacheligen Gestein entdeckt. Er hatte viele Jahre damit verbracht, die stacheligen Steine aus dem Berg zu graben, denn er liebte deren kaltes und prickeliges Gefühl – und er blickte gern auf den wachsenden Haufen kalter stacheliger Steine, im Bewusstsein, dass sie alle ihm gehörten – er entschloß sich, sie mit den kleinen Swabeedoo-dahs zu teilen. So füllte er hunderte von Säcken mit kalten stacheligen Steinen und nahm sie mit ins Dorf.
Als die Leute die Säcke mit den Steinen sahen, waren sie froh und nahmen sie dankbar an. Nun hatten sie wieder etwas, was sie einander schenken konnten. Das einzige Unangenehme war, dass es nicht so viel Spaß machte, kalte stachelige Steine zu verschenken, wie warme, weiche Pelzchen. Einen stacheligen Stein zu geben, war gleichsam eine Art, dem anderen die Hand zu reichen – aber nicht so sehr in Freundschaft und Liebe. Auch einen stacheligen Stein zu bekommen, war mit einem eigenartigen Gefühl verbunden. Man war nicht ganz sicher, was der Geber meinte, denn schließlich waren die Steine kalt und stachelig. Es war nett, etwas von einem anderen zu erhalten, aber man blieb verwirrt und oft mit zerstochenen Fingern zurück. Wenn ein Swabeedoo-dah ein warmes, weiches Pelzchen bekam, sagte er gewöhnlich „waw“, wenn ihm aber jemand einen kalten stacheligen Stein reichte, gab es gewöhnlich nichts anderes als ein „Agx“.
Einige der kleinen Leute begannen wieder, einander warme, weiche Pelzchen zu geben und jedesmal, wenn ein Pelzchen geschenkt wurde, machte es dem Schenkenden und dem Beschenkten wirklich sehr viel Freude. Vielleicht war es nur deshalb so ungewöhnlich, von jemandem ein warmes weiches Pelzchen geschenkt zu bekommen, weil so viele kalte Steine ausgetauscht wurden. Das Schenken von Pelzchen wurde nie mehr Mode in Swabeedoo. Nur einige wenige Leute entdeckten, dass sie fortfahren konnten, einander warme weiche Pelzchen zu schenken, ohne, dass ihre Vorräte ausgingen.
Die Kunst Pelzchen zu verschenken, wurde nicht von vielen gepflegt. Das Misstrauen steckte tief in den Leuten von Swabeedoo. Man konnte aus ihren Bemerkungen hören:
Weiche Pelzchen? Was steckt wohl dahinter?
Ich weiß niemals, ob meine weichen Pelzchen auch wirklich geschätzt werden! Ich habe ein weiches Pelzchen gegeben und bekam dafür einen kalten stacheligen Stein. So dumm bin ich nie wieder! Man weiß nie, wie man dran ist: jetzt ein weiches Pelzchen und im nächsten Augenblick einen stacheligen Stein. Gibst Du mir keinen stacheligen Stein, dann gebe ich Dir auch keinen! Okay?
Ich möchte meinem Jungen ein warmes weiches Pelzchen geben, aber er verdient es nicht. Manchmal frage ich mich, ob mein Großvater noch Pelzchen auf der Bank hat! Wahrscheinlich wäre jeder Bürger von Swabeedoo gerne zurückgekehrt zu jenen Tagen, als das Schenken und Geschenktbekommen von warmen weichen Pelzchen noch üblich war. Manchmal dachte ein solch kleiner Mann bei sich, wie schön es doch wäre, von jemandem ein warmes weiches Pelzchen zu bekommen.
Und in Gedanken ging er hinaus und begann jedem ein Pelzchen zu schenken, wie in alten Tagen. Aber meistens hielt es ihn stets davon ab. Gewöhnlich war es einfach dies, dass er hinausging und sah „WIE DIE WELT WIRKLICH WAR“
An einem kühlen Maimorgen gab mir ein sehr nettes Mädchen eine Papierrolle, die mit einem warmen weichen Pelzchen umwickelt war. Auf dem Papierröllchen war die Geschichte von den Leuten von Swabeedoo zu lesen. Ich weiß leider nicht, wer sie das erstemal aufgeschrieben hat.